Mehr Körperbehaarung (im Winter)! Ein Plädoyer

Frauen mit Achselhaaren

Unter der Dusche, als ich ganz automatisch zum Rasierer griff, kam ich zum Nachdenken. Draußen ist es gerade bitterkalt. Wenn ich das Haus verlassen muss, dann nur im Zwiebellook. Heißt: Strumpfhose, Wintersocken, Jeans, Unterhemd, Sweater, Weste und Jacke. Unter all den Schichten, und für die allermeisten völlig unentdeckt: glattrasierte Beine und Achseln. Weshalb das Ganze also? Ist diese natürliche Behaarung doch ursprünglich gerade dafür gedacht, vor Kälte zu schützen. Und im Winter sieht die Behaarung ja sowieso fast niemand.

Glatte, makellose Haut gehört heute zum Schönheitsideal

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt es in den USA als ästhetisch und modisch, sich als Frau (!) unter den Achseln zu rasieren. In den radikalen 60ern galt Körperbehaarung wieder als cool. Sie symbolisierte eine jugendliche Rebellion gegen das Establishment. Als Ausbruch aus den gesellschaftlichen Konventionen, wenn man so will. Mit dem Schamhaar verhielt es sich anders. Bis vor zwanzig Jahren wäre die Idee, sich den widerspänstigen Flaum abzurasieren, um dort unten Kahl wie ein Schulmädchen zu sein, als völlig absurd abgetan worden. Vielmehr galten sie noch bis in die 90er Jahre hinein als selbstverständlich. Erst dann stellte der enthaarte weibliche Intimbereich immer mehr eine soziale Normalität dar. Heute geht der Trend soweit, dass die Intimrasur vom Sexualpartner, insbesondere bei Frauen, erwartet wird. Sie gilt als hygienisch und hübsch.

Frau mit Achselhaaren
Frau mit Achselhaaren: Ästhetisch oder pfui?

Eine Studie der Universität Leipzig unter rund 300 Studentinnen und Studenten ergab bereits im Jahr 2008, dass sich 88 Prozent der weiblichen Befragten und 67 Prozent der männlichen Befragten (Durchschnittsalter 23 Jahre) regelmäßig ihre Schambehaarung entfernen. Einer Umfrage der Männer- und Lifestylezeitschrift GQ zufolge bevorzugen 46 Prozent der Männer bei Frauen einen haarlosen Genitalbereich, 29 Prozent akzeptieren einen schmalen Strich (den sogenannten „Landing Strip“) und 11 Prozent würden sich auch noch mit einem Dreieck auf dem Venushügel zufrieden geben. Lediglich 14 Prozent fänden eine volle Behaarung akzeptabel. Umgekehrt gaben übrigens auch 70 Prozent der Frauen an, einen vollständig enthaarten Intimbereich beim Mann zu bevorzugen. Lediglich drei Prozent mögen natürliche Schambehaarung.

Mühsam, zeitaufwändig – überflüssig

Dabei ist es doch so: Das ständige Rasieren ist nicht nur mühsam und zeitaufwändig, es ist auch ungesund und belastend für die Haut. Viele Körperlotionen brennen nach der Rasur auf der strapazierten Oberfläche, nicht selten kämpfen Frauen mit eingewachsenen Haaren, die nach dem Glattrasieren in Irrwegen nachwachsen und schmerzhafte Entzündungen verursachen. Nicht zuletzt ist es ein Kostenfaktor (wenn auch ein geringer beim Rasieren, was beim Waxing, Epilieren oder gar der Haarentfernung per Laser anders aussieht). Viel wichtiger jedoch: zu viele Frauen fühlen sich gesellschaftlich dazu verpflichtet, sich zu rasieren. Wer dem freien Haarkult frönt, gilt schnell als unästhetisch, unhygienisch und faul. Völliger Blödsinn.

Jede Frau sollte sich frei von gesellschaftlichen Einflüssen die Frage stellen, weshalb sie sich rasiert. Weil sie selbst die Haare unschön findet? Weil es von anderen erwartet wird? Findet es der Partner etwa attraktiver, wenn die Muschi glatt wie ein Babypopo ist? Ich meine damit nicht, dass jede Frau künftig behaart sein soll, denn das wäre ja genauso eine Fremdbestimmung, wonach ich meine persönliche Einstellung anderen aufzwingen würde. Andersherum sollte es aber auch nicht der Fall sein. Das gilt für Männer übrigens genauso, by the way.

Frau mit Achselhaaren

Long Hair… Don’t care!

Dass ein glattrasierter Körper durchaus nicht mehr gesellschaftliches Diktat ist, zeigte sich bereits 2014. Plötzlich galt es als Avantgarde, die Haare wachsen zu lassen, anstatt sie zu waxen. Der Hashtag #freeyourpits („Befreie deine Achsel!“) war geboren. Die wohl prominenteste Bekennerin gegen das Rasurdiktat war Madonna. Bereits 2014 postete sie auf ihrem Instagram-Account ein gewohnt aufreizendes Bild – mit ungewohnt behaarten Achseln.  „Long hair … don’t care!“, lautete ihr Kommentar dazu. Das Bild erregte großes Aufsehen. Miley Cirus mischte natürlich auch mit und postete ein Foto ihrer gefärbten Achselhaare.

Madonna mit Achselhaaren
Madonna mit Achselhaaren: „Long hair, don’t care!“

Der „Stern“ griff das Thema auf und berichtete in einer Ausgabe im Frühjahr 2014 über einen zunehmenden Gegentrend zur Komplettrasur: der „Back to Bush“-Bewegung. In New York gibt es seit einiger Zeit sogar Schaufensterpuppen, die Achselhaare tragen, was vielleicht etwas übertrieben ist, da diese Puppen von jeher überhaupt keine “natürliche“ Behaarung haben. Trotzdem ist es ein Statement. Im vergangenen Sommer griffen auch Modemagazine den Trend auf und zeigten in Fotostrecken kecke Achselhaare zu Spaghettiträgertops.

Mit Feminismus hat das Ganze wenig zu tun, auch nicht mit Gleichberechtigung. Nicht jede Frau mit Beinbehaarung ist zugleich Feministin und nicht jede Frau mit rasierten Achseln lässt sich von ihrem Partner unterwerfen. Trotzdem sollte die Entscheidung, natürlich behaart zu sein oder nicht, eine freie und individuelle sein. Und wer sich durch behaarte Frauen in seinem ästhetischen Befinden angegriffen fühlt, sollte sich mal langsam den Stock aus seinem, ähm, Allerwertesten ziehen.

 

26 Kommentare

  1. Ein Recherche-Tipp sei mir gestattet: Achsel- und Schamhaare dienen einzig der Vergrößerung der Oberfläche für die Verbreitung von Duftstoffen der Körperflüssigkeiten – ein wichtiges vorsteinzeitliches Kommunikationsmedium. Gerade Schamhaare kommen mit Urin, Kot, Blut, Sperma und vaginalem Ausfluss in Kontakt. Wer´s also mag…

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    1. Liebe Jane, da hast du natürlich recht! Ich würde aber sagen: Auch, aber nicht nur. Diese Duftstoffe unter den Achseln und im Intimbereich werden durch die Behaarung wirklich verstärkt, trotzdem (so habe ich es zumindest gelesen?) sollen sie auch vor Bakterien schützen und wärmen. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

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  2. Das ist, so banal ein bisschen Körperbehaarung auf den ersten Blick erscheint, ein gar nicht unwichtiges Thema: Ich beobachte zunehmend, vor allem bei jüngeren Generationen, einen Ekel vor allem, was „natürlich“ am eigenen Körper ist – als würden tatsächlich die digitalisierten, perfektionierten Körper der Medien mehr Vorbild sein als die biologische Realität.
    Ich selbst halte es damit recht pragmatisch: Bewusst passe ich mich im Sommer den gesellschaftlichen Schönheitsidealen an, weil es mir zu blöd wäre, aufgrund haariger Beine Blicke auf mich zu ziehen. Im Winter lasse ich wachsen. So viel wächst da ja eh nicht.
    Aber manchmal wäre ich gerne mutig genug, auch öffentlich gegenzuhalten, gegen diesen Druck der falschen Makellosigkeit: Seht her, frau kann auch mit ein paar Härchen mehr recht attraktiv und gepflegt daherkommen!

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    1. Liebe Hava, da sprichst du mir genau aus der Seele. Ich mache das übrigens genauso 😉 Stelle mir aber die selben Fragen wie du und denke manchmal auch: eigentlich sollte man den Mut haben, auch mal im Sommer weniger Aufwand diesbezüglich zu betreiben 😉 LG Meike

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  3. Ich halte mich eher an die Natur. Für die Hygiene wasche ich mich eben. Gibt ohnehin Länder, in denen nicht mit Papier verschmiert, sondern jedes Mal mit Wasser gespült wird. Dann werden auch gleich die Haare wieder sauber.
    Das mit den Duftstoffen ist sicher auch recht wichtig. Heißt ja nicht umsonst, dass man sich riechen können muss.
    Bestimmt wird der Trend auch mal wieder umschlagen. Dann wird es Haarverlängerung und sowas auch für Achsel- und Schamhaare geben 😉

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  4. „Protestieren durch Nichtrasieren“ ist doch eher 70er. Das heute als den großen Protest auszugeben überzeugt mich nicht. Wer es wärmer haben will, der braucht dazu auch keine Haare.

    Körperhaare sind bei Frauen allgemein zurückgegangen, weil sie Menschen anfällig für Parasiten machten und das gegenseitige Lausen als Sozialkontakt durch Gespräche ersetzt worden ist.

    Es spricht einiges dafür, dass es eine sexuelle Selektion auf eine gewisse Haarlosigkeit gegeben hat, der letztendlich nur andere Selektionsdrücke entgegenstanden, etwa auf Duftstoffverteilung und Trockenheit zur Reduzierung von Entzündungen etc
    Beides hat in der modernen Welt eine geringe Funktion.
    Zur Selektion auf Haarlosigkeit habe ich auch hier etwas geschrieben:
    https://allesevolution.wordpress.com/2011/06/30/haare-und-sexuelle-attraktivitat/

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    1. Lieber Christian, ich glaube, du hast das Thema nicht verstanden. Es geht überhaupt nicht um Protest – wie ich auch mehrfach betont habe… Auch nicht darum, es wärmer haben zu wollen. Der Gedanke brachte mich ja nur auf das Thema. Auch das kann man, wenn man aufmerksam liest, im Text erkennen… Mir geht es lediglich darum, dass man sich nicht gesellschaftlich genötigt sehen sollte, sich zu rasieren. Viele rasieren sich ganz automatisch, weil es die Norm ist. Der Artikel soll die Leser anregen, darüber nachzudenken warum sie sich rasieren. Ohne Wertung. Aber danke, für den Link auf deinen Artikel. Er ist sicher gut, wenn man sich mit dem Thema Haare und sexuelle attraktivität auseinander setzen möchte!

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      1. „Gesellschaftlich genötigt“ ist ja etwas relatives.
        Wenn meine Annahme stimmt, dann ist es eine Frage intrasexueller Konkurrenz. Und den daraus enstehenden Druck kann man kaum abstellen. Er entsteht quasi automatisch

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  5. Als Gynäkologin habe ich einen ganz guten Überblick.. Um es vorneweg zu sagen: Mir persönlich ist es völlig egal, ob jemand rasiert ist, oder nicht, solange er sauber ist. Nur finde ich, dass sich Menschen, die viele Haare bevorzugen, auch entsprechend waschen, sollten – und das ist tatsächlich aufwändiger, da sich dort bei ungepfllegten Damen so manches gerne ablagert. Und das möchte jetzt keiner mehr lesen, denke ich, weil die Haare mit Sicherheit keine Bakterien abhalten, im Gegenteil…

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  6. Ich möchte noch was zum Thema Geruch einwerfen. Das hat die Natur schon ganz clever gemacht. Es finden sich nur die Menschlein zusammen die sich „riechen“ können. Das soll uns zum Beispiel davor schützen sich mit einem nahen Verwandten einzulassen … Mein letzter Biologie Untericht ist zwar schon sehr lange her, aber das ist hängen geblieben. :)))

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  7. Körperhaare bei euch Mädels sind einfach nicht schön und – JA – eher abstossend. SORRY – aber meine Meinung. Ich mag sie auch nicht bei mir, deshalb werden sie epiliert. Beine, Arme, Achseln und natürlich auch meine Schamhaare. Brust- und Rückenhaare habe ich so nicht.

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    1. kann ja jeder seine eigene Meinung dazu haben. Ich finde Männer, die sich rasieren auch nicht schön, aber wie gesagt, ist Geschmackssache. Sieht immer aus wie ein gerupftes Hühnchen finde ich, so ein Mann ohne natürliche Behaarung 😀

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  8. JA KLAR – jeder Mensch ist anders bzw. hat seine Meinung. Wenn du meinst das Männer ohne Körperhaare wie ein „gerupftes Hühnchen“ aussehen – OK – deine Meinung. Aber wer sich – ob nun W oder M nur enthaart oder seine Behaarung lässt, wegen gesellschaftlichen Zwängen oder um gegen vermeindliche gesellschaftliche Zwänge zu protestieren ist irgendwie – denke ich – vielleicht auf dem falschen Trip.

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    1. Ja genau! 🙂 darum geht es mir ja. Dass jeder das so handhaben soll, wie er/sie möchte und das nicht von äußeren Zwängen, Richtlinien etc ausmachen soll. Weil sich viele ganz automatisch rasieren, selbst im Winter zB (wenn es ja fast niemand sieht) weil „man das eben so macht“. Anstatt mal darüber nachzudenken, ob man das gerade wirklich gut, weil man sich dann zB besser, hygienischer etc fühlt. Eigentlich geht es im Text genau darum. Kam nicht so rüber?

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      1. Der Spiegel und auch ggf. der Partner kennt keinen F, S, H, W. Also wenn sich jemand nur im Sommer enthaart, macht sie/er es ja wahrscheinlich vor allem wegen den Leuten. Ich mach es, weil ich einfach keine Körperhaare mag. Egal ob es nun F, S, H oder W ist. Wie fühlst du dich denn am wohlsten? Mit oder ohne Körperhaare. Schon mal epiliert – also mit nem Epilierer?

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  9. Ich hätte da nichts gegen etwas mehr Vielfalt und vor allem Entscheidungsfreiheit.

    In den 80ern gab es Frauen mit Achselhaaren und andere, zumindest in Deutschland eher wenige, haben die wegrasiert, aber kein Dogma daraus gemacht.
    Ich fand rasierte Achselhöhlen bei Frauen irgendwie interessant und habe sogar meine damalige Lebensgefährtin dazu überredet, die Achselhaare im Sommer wegzurasieren.
    Seit der Jahrtausendwende machen das irgendwie alle und jede findet Achselhaare auf einmal „ekelhaft“, obwohl sie selbst einige Jahre davor noch mit vollen Büscheln unter den Achseln herumgelaufen ist.

    Inzwischen finde ich vor allem bei dunkelhaarigen Achselhaare durchaus rassig, gab da mal einen Film mit Penelope Cruz und Nicholas Cage, bei ihr sahen die wirklich sexy aus.
    Ich finde jede Frau sollte ohne gesellschaftliche Zwänge selbst entscheiden können, wie sie es damit hält, dürfen Männer bei ihren Bärten ja auch.

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    1. Hi Sven, das mit den Bärten ist ein super Vergleich, ist mir noch gar nicht gekommen. Und es gibt ja echt auch viele Männer, die sich ihre Achseln und Beine und natürlich den Intimbereich rasieren. Und wenn sie es nicht tun, ist das auch kein Weltuntergang. Sollte bei Frauen einfach genauso sein, daher stimme ich dir voll und ganz zu 🙂 LG!

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  10. Mein Empfinden dazu ist gespalten. Einerseits bin ich von glatterer Haut angezogen. Ich vermute, dass das die die männertypische Präferenz für Jugendlichkeit ist (glatte Haut = jung), die fest im Gehirn verdrahtet ist. Frauen wissen um diese Präferenz und so kann eine mehr oder weniger bewusste, mehr oder weniger internalisierte Norm entstehen.
    Andererseits macht mich so eine Norm auch ein bischen wütend. Das Zurückrasieren jedes möglicherweise nicht ganz aseptisch-ästhetizistischen Naturrestes, das mit Scham oder Furcht vor Ablehnung verbundene Verbergen und Verändern des Physischen, das ist, wie es ist, das auf-Stromlinienform-bringen von Allem und Jedem tut mir ein bischen weh. Mir fehlt dann etwas. Und es hinterlässt möglicherweise auch Spuren im Gefühlsleben, wo man dann ebenfalls sich auf Stromlinie bringt und nicht-so-schöne Gefühle nicht mehr haben und ausdrücken kann. Aber das geht vielleicht zu weit.
    Was, wenn die Achselhaare bei Madonna oder Penelope Cruz nicht „rassig“ oder „sexy“ wären? Oh Gott, der Himmel stürzt ein! Er stürzt eben nicht ein. Und es sieht vielleicht nicht so „gut“ aus. So what???

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  11. Ein echt interessanter Artikel, über den ich hier gerade gestolpert bin. Ich finde das was du da schreibst hat Hand und Fuß. Schon öfter habe ich mir jetzt überelegt, ob ich nicht einfach mal meine Achselhaare wachsen lassen soll. Ewig sprießen sie ja sowieso nicht und eigentlich fände ich die skandalösen Blicke ganz gut. Die Gesellschaft ist heute doch noch zu schocken 😉 und dann auch gleich so leicht und ganz ohne Aufwand…

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